Shintaro Miyazaki: Digitalität und Medienwissenschaft

Eine kurze, unvollständige Geschichte der Erforschung der Digitalisierung und Digitalität in der deutschsprachigen Medienwissenschaft

Cookie Talk Reihe am 21.11.2024, 09.30 - 10.00 Uhr

Digitalität und Medienwissenschaft: Eine Geschichte des Wandels?

Am 21. November 2024 hielt Prof. Shintaro Miyazaki im Rahmen der IZ D2MCM-Vortragsreihe „Cookietalks“ einen spannenden Vortrag zur Digitalität in den Medienwissenschaften. Dabei wirft er einen Blick auf die historische Entwicklung der Digitalität und ihre Bedeutung für die Medienwissenschaft – eine Disziplin, die eng mit dem technologischen Fortschritt und der Reflexion digitaler Medien verbunden ist.

Von der Elektronik zur Digitalität: Der Beginn eines Reflexionsprozesses

Die Geschichte der Digitalität ist untrennbar mit dem Aufstieg elektronischer Geräte wie Radio und Fernsehen verknüpft. Bereits in den 1950er-Jahren begannen Wissenschaftler:innen, die kulturellen und sozialen Auswirkungen dieser Technologien zu untersuchen. Besonders in Deutschland nahmen die Romanisten eine Vorreiterrolle ein, allen voran Friedrich Kittler in den 1970er Jahren an der Universität Freiburg. Auch Vertreter der Kritischen Theorie, wie Theodor W. Adorno oder Hans Magnus Enzensberger, trugen entscheidend dazu bei, das Wechselspiel von Technik, Kultur und Kommunikation kritisch zu hinterfragen. Mit der Einführung von Personal Computern (PCs) in den 1980er- und 1990er-Jahren verschoben sich die Forschungsschwerpunkte: Der PC wurde nicht nur als Medium, sondern auch als Werkzeug der Wissens- und Textproduktion in den Fokus gerückt. Wolfgang Hagen und wegweisende Projekte wie das DFG-Projekt “Literatur- und Medienanalyse” an der Universität/Gesamthochschule Kassel prägten diesen Wandel und legten die Basis für die Reflexion des Digitalen innerhalb der deutschsprachigen Medienwissenschaft.

Die Etappen der Digitalisierung: Von der Reflexion zur Konsolidierung

Die Entwicklung der Medienwissenschaft ist ohne die Digitalisierung kaum denkbar. Während das Fernsehen zunächst vor allem aus einer kulturellen und kommunikativen Perspektive untersucht wurde, brachte die digitale Revolution eine tiefgreifende Veränderung mit sich: Medien wurden zunehmend als Werkzeuge der Wissenskonstruktion und als eigenständige Akteure verstanden. Einen zentralen Wendepunkt markierte das Jahr 1993, als Friedrich Kittler an die Humboldt-Universität zu Berlin berufen wurde und den Lehrstuhl für Ästhetik und Geschichte der Medien am Institut für Kulturwissenschaften aufbaute. Später begründete er zusammen mit Horst Bredekamp, Sybille Krämer, Thomas Macho, Wolfgang Coy und anderen das Helmholtz-Institut für Kulturtechnik. Von hier aus entwickelte sich die Medienwissenschaft zu einer eigenständigen Disziplin (Berufung von Wolfgang Ernst für den Lehrstuhl Medientheorien und Begründung eines eigenständigen Fachbereichs) mit einem starken Fokus auf die kulturellen, technischen und sozialen Dimensionen der Digitalität.

Benjamin Bratton beschreibt Digitalität heute als „planetarisches Denken“ – ein Konzept, das technologische, kulturelle und soziale Aspekte integriert. Dieses ganzheitliche Verständnis der Digitalität knüpft an Foucaults Ideen an, wonach Medien nicht nur Werkzeuge der Kommunikation, sondern auch der Wissensproduktion und Macht sind.

Literatur:

Wolfgang Hagen: Die verlorene Schrift – Skizzen zu einer Theorie der Computer, in: Friedrich Kittler, Georg Christoph Tholen (Hg.): Arsenale der Seele, München 1989, 211–229.


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Cite as: Eliza Mandieva: Cookietalk Shintaro Miyazaki: Digitalität und Medienwissenschaft. In: IZ D2MCM Blog [Weblog], 20.12.2024. URL: https://izd2m.hu-berlin.de/blog-posts/2024/12/20/bp-miyazaki.html.