Andrea Beyer (SLF) & Florian Kotschka (CMS): Neu ist immer besser? - Texteditionen und digitale Methoden

Cookie Talk Reihe am 20.01.2025, 09.30 - 10.00 Uhr

Im Rahmen der IZ Cookie Talk Reihe wurde eine zentrale Frage der digitalen Textforschung diskutiert: Sind mit Blick auf digitale Forschungsmethoden neuere Editionen tatsächlich besser als ältere? Diese interdisziplinäre Diskussion konzentrierte sich auf Texteditionen, digitale Methoden und deren Auswirkungen auf Forschungsergebnisse – mit besonderem Fokus auf das Daidalos-Projekt an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Das Daidalos-Projekt: Brücke zwischen Tradition und Moderne

Das Daidalos-Projekt (2023–2026) hat das Ziel, eine Forschungsinfrastruktur zu entwickeln, die es ermöglicht, digitale Methoden wie Natural Language Processing (NLP) auf lateinische und griechische Texte anzuwenden. Damit erleichtert es den Zugang zu digitalen Forschungsmethoden in der Klassischen Philologie und unterstützt die Integration moderner Technologien in die Analyse antiker Texte.

Sind neuere Editionen wirklich vorteilhafter?

Der Ausgangspunkt dieses Beitrages war die Frage, ob neuere Editionen bei der Untersuchung mittels digitaler Methoden tatsächlich signifikante Vorteile bieten. Aktuelle Editionen sind oft problembehaftet:

• Copyright-Beschränkungen erschweren den Zugriff auf moderne Editionen.

• Bezahlschranken schränken die Nutzung in der Forschung ein.

• Unklare Veröffentlichungsrechte nach der digitalen Verarbeitung stellen ein weiteres Hindernis dar.

Aus diesem Grund wurde untersucht, ob ältere Editionen – trotz ihres Alters – ebenfalls für digitale Analysen geeignet sind.

Ein Praxisbeispiel: 2 NLP-Aufgaben getestet an einem literarischen Text

Als Testkorpus diente der Text „Invectiva in M. Tullium Ciceronem“, eine rhetorische Schmährede aus dem frühen 1. Jahrhundert n. Chr. Zwei Editionen wurden verglichen:

  • Novokhatko, A. (2009). The Invectives of Sallust and Cicero: Critical Edition with Introduction, Translation, and Commentary. In The Invectives of Sallust and Cicero. De Gruyter. – digitalisiert durch Andrea Beyer
  • Sallust. (1969). Werke und Schriften Lateinisch-Deutsch (W. Schöne & W. Eisenhut, Hrsg.). Ernst Heimeran. – Digitalisiert in der Bibliotheca Augustana.

Mit Methoden Named Entity Recognition (NER) und Sentiment-Analyse wurden beide Versionen untersucht.

Ergebnisse der digitalen Analyse

NER-Erkennung: Die Ergebnisse zeigten eine 100%ige Übereinstimmung zwischen beiden Editionen.

Sentiment-Analyse: Die durchschnittlichen Sentiment-Werte unterschieden sich nur minimal (0,5617% vs 0,5633%).

Fazit: Alte Editionen sind nicht automatisch schlechter

Die Studie zeigt, dass ältere Editionen ebenso gut für digitale Analysen geeignet sind wie neuere, solange die Methodik passend gewählt wird.

Wichtige Erkenntnisse:

• Digitale Methoden integrieren empirische Elemente in die traditionelle Forschung.

• Methodenbewusstsein ist essenziell – nicht jede Methode passt zu jeder Forschungsfrage.

• Größere Korpora führen zu stabileren Ergebnissen, da statistische Effekte glätten.

Das Daidalos-Projekt leistet hier einen entscheidenden Beitrag: Es fördert die Etablierung digitaler Methoden in der Klassischen Philologie und erleichtert Forschenden den Zugang zu modernen Analysetools. So entsteht eine Brücke zwischen traditionellen Texten und neuen Technologien.

👉 Weitere Informationen zum Daidalos-Projekt finden Sie auf der offiziellen Projektseite: https://daidalos-projekt.de/

Unser IZ-Team bedankt sich herzlich bei Andrea Beyer und Florian Kotschka für das Teilen ihrer Forschungsergebnisse.

Cite as: Eliza Mandieva: Cookietalk Andrea Beyer & Florian Kotschka: Neu ist immer besser? Texteditionen und digitale Methoden. In: IZ D2MCM Blog [Weblog], 10.03.2025. URL: https://izd2m.hu-berlin.de/blog-posts/2025/03/10/bp-beyer_kotchka.html.